In der Geschäftswelt stehen viele Unternehmen in einem klassischen Wettbewerb – sie nutzen die sogenannte Red Ocean-Strategie. Das bedeutet, sie kämpfen in etablierten Märkten, also den "roten Ozeanen" gegen rivalisierende Firmen und versuchen, durch Optimierung oder aggressive Preisgestaltung mehr Marktanteile zu gewinnen. Diese Art von Märkten ist oft überfüllt, die Konkurrenz ist hart und das Wachstum begrenzt.
Hier setzt die Blue Ocean-Strategie an: Statt sich in bekannten Märkten zu behaupten, geht es darum, Marktlücken zu schließen, die noch nicht von Wettbewerber:innen dominiert werden. Unternehmen schaffen neue Nachfrage, indem sie Innovation und Differenzierung kombinieren und dadurch in neue Bereiche eintauchen.
Was ist der Unterschied zwischen Blue Ocean und Red Ocean?
Eine Blue Ocean-Strategie ermöglicht Unternehmen, neue Nachfrage zu erschließen, indem sie Wertinnovation nutzen: das gleichzeitige Erhöhen des Kundennutzens und Senken von Kosten. Dadurch entsteht ein neuer Markt ohne direkten Wettbewerb, während Red Ocean-Strategien auf Konkurrenz, ständiger Optimierung und auf der Verteidigung bestehender Marktanteile basieren.
Diese beiden Strategien – Blue Ocean, Red Ocean – werden häufig verwendet, wenn es darum geht, neue Ziele zu definieren: Solltest du weiterhin in bekannten Märkten agieren, die vom Wettbewerb geprägt sind, oder lohnt es sich, in neue Gewässer aufzubrechen?
Ursprung der Blue Ocean-Strategie
Das Konzept der Blue Ocean-Strategie wurde von W. Chan Kim und Renée Mauborgne entwickelt und im gleichnamigen Bestseller-Buch „Blue Ocean Strategy“ vorgestellt. Sie zeigen darin, dass Unternehmen häufig in bestehenden Märkten gefangen sind, in denen sich alle auf ähnliche Angebote und dieselben Zielgruppen konzentrieren. Diese Konstellation führt zu ständigem Wettbewerb, der dir wenig Raum für nachhaltiges Wachstum bietet.
Im Gegensatz dazu ist der Grundgedanke der Blue Ocean-Strategie, dass Unternehmen sich nicht primär auf Konkurrenzkämpfe konzentrieren, sondern neue Märkte erschaffen, die unabhängig von bestehenden Wettbewerbsdynamiken funktionieren. Die Basis dafür ist die sogenannte Wertinnovation (Value Innovation). Sie bildet das Herzstück der Blue Ocean Strategy und beschreibt die Kombination aus Differenzierung und niedrigeren Kosten. Du solltest nicht zwischen einem höheren Nutzen für Kund:innen und Preisvorteilen wählen müssen, sondern beides gleichzeitig anstreben.
Der zentrale Gedanke lautet: Statt innerhalb bestehender Marktgrenzen um Marktanteile zu kämpfen, lohnt es sich für dich, die Grenzen selbst infrage zu stellen und neue Räume zu schaffen, in denen Wettbewerb irrelevant wird. Du verschiebst damit den Fokus von Konkurrenz hin zur Innovation.
Merkmale von Red Ocean-Strategien
Ein Red Ocean beschreibt Märkte, in denen Unternehmen unter bekannten Bedingungen agieren. Diese Märkte sind geprägt von intensiver Konkurrenz, klar definierten Regeln und festen Beschränkungen der Industrie, die bestimmen, wie Produkte aussehen, wie Preise gestaltet sind und welche Kund:innen angesprochen werden. In solchen Märkten konkurrieren Unternehmen häufig vor allem über Preis, Sortiment oder kleinere Leistungsunterschiede.
Da alle Unternehmen innerhalb derselben Marktstrukturen agieren, wird der Konkurrenzkampf mit der Zeit immer intensiver. Margen schrumpfen, da alle versuchen, sich über Preisvorteile oder aggressives Marketing durchzusetzen. Gleichzeitig nimmt das Wachstum ab, weil der Markt bereits weitgehend erschlossen ist.
Für dich bedeutet das, dass dein geschäftlicher Erfolg stark davon abhängt, wie gut du deine Konkurrenz schlagen kannst. Doch trotz sinnvoller Optimierungen bleibt die Entwicklung in Red Oceans häufig begrenzt.
Merkmale von Blue Ocean-Strategien
Im Gegensatz dazu steht die Blue Ocean-Strategie, die auf unerschlossene Marktbereiche abzielt. Ein Blue Ocean entsteht dann, wenn es dir gelingt, eine bisher unbediente Zielgruppe anzusprechen oder eine völlig neue Kombination aus Produkt, Service und Erlebnis zu schaffen, die es so zuvor nicht gab.
Ein wesentliches Merkmal besteht darin, dass du bewusst die Regeln des Marktes überschreitest. Dein Ziel sollte sein, ein neues Nutzenversprechen zu erschaffen, das nicht nur auf bestehende Kund:innen abzielt, sondern insbesondere auf Nichtkund:innen – also Menschen, die bislang keinen Grund hatten, sich für ein vorhandenes Angebot zu entscheiden.
Durch die Value Innovation gelingt es dir damit, gleichzeitig die Kosten zu senken und den Nutzen zu erhöhen. Das ist möglich, indem du alte, wenig relevante Leistungsmerkmale streichst, während du gleichzeitig neue, sinnvolle Eigenschaften anbietest. Auf diese Weise entstehen Produkte und Dienstleistungen, die klar aus dem Markt herausstechen, ohne teurer sein zu müssen.
Indem du neue Nutzenfaktoren schaffst, wird dein Wettbewerb irrelevant: Du bewegst dich in einem Raum, den es bisher nicht gab. Genau das unterscheidet die Blue Ocean Strategy von traditionellen, wettbewerbsorientierten Ansätzen.
Methodik der Blue Ocean Strategy
Um neue Märkte zu erschließen, bietet die Blue Ocean Strategy verschiedene methodische Ansätze, die dir bei der Ideenfindung und dem Vergleich helfen können.
Strategy Canvas
Ein erster Schritt ist die Erstellung eines Strategy Canvas. Dabei vergleichst du verschiedene Wettbewerber:innen innerhalb eines Marktes und arbeitest heraus, auf welche Faktoren diese am meisten Wert legen. Hier werden schnell Lücken ersichtlich und du erkennst, wo Differenzierungspotenzial vorhanden ist.
Vier-Aktionen-Format
Das Vier-Aktionen-Format hilft dir dabei, ein neues Nutzenversprechen zu erstellen.
- Eliminate: Du analysierst, welche Elemente einer Branche nicht mehr zeitgemäß sind und daher eliminiert werden können.
- Reduce: Gleichzeitig prüfst du, welche Faktoren reduziert werden können, weil sie deinen Kund:innen keinen Mehrwert bieten.
- Raise: Welche Faktoren solltest du erhöhen und ausbauen, da diese für deine Käufer:innen von besonderer Bedeutung sind?
- Create: Welche neuen Elemente kannst du anbieten, die dein Angebot einzigartig machen?
Sechs Pfade zur Wertinnovation
- Betrachtung alternativer Branchen: Analysiere nicht nur deine direkte Konkurrenz, sondern prüfe, welche alternativen Lösungen Kund:innen nutzen. Versuche zu verstehen, welche Bedürfnisse deiner Kund:innen andere Branchen erfüllen, und leite daraus neue Angebote ab.
- Betrachtung strategischer Gruppen innerhalb der Branche: Analysiere verschiedene Unternehmen innerhalb einer Branche und finde heraus, welche Zielgruppe diese bisher nicht ansprechen.
- Betrachtung der Zielgruppe: Viele Unternehmen richten sich standardmäßig an dieselben Käufer:innen. Erweitere oder ändere deine Zielgruppe und überlege dir, welches zusätzliche Publikum von deinen Produkten profitieren könnte. Durch veränderte Ansprache und ein breiteres Publikum ergeben sich dadurch neue Marktchancen für dich.
- Betrachtung komplementärer Produkte und Dienstleistungen: Analysiere, welche weiteren Produkte oder Services Kund:innen vor, während oder nach der Nutzung eines anderen Produktes benötigen. Indem du Erfahrungen oder Produkte anbietest, die sämtliche Bedürfnisse deiner Kundschaft erfüllen, kannst du dir einen blauen Ozean erschließen.
- Blick auf funktionale vs. emotionale Nutzenorientierung: Setzt deine Branche eher auf funktionale oder emotionale Argumente? Auch hier bestehen Möglichkeiten zur Erschließung neuer Märkte, indem du den jeweils gegenteiligen Ansatz wählst und über die Verschiebung der Wahrnehmung ein neues Nutzenversprechen schaffst.
- Betrachtung zeitlicher Trends: Beobachte technologische oder gesellschaftliche Trends – aber nicht oberflächlich. So verstehst du, welche grundlegenden Veränderungen langfristig die Branche formen, und kannst dadurch zukünftige Märkte erschließen.
Strategische Analyse
Abschließend folgt die strategische Sequenz, die sicherstellt, dass das neue Angebot nicht nur innovativ ist, sondern auch wirtschaftlich tragfähig bleibt. Du prüfst dabei Nutzen, Preisstruktur, Kosten und mögliche Hürden bei der Umsetzung.
Praxisbeispiel everdrop: Vom klassischen Markt zum neuen Ozean
Ein Beispiel für den Erfolg der Strategie von Renée Mauborgne und W. Chan Kim ist der deutsche Haushaltsmittel-Hersteller everdrop.
Die Marke verkauft seit 2019 in ihrem Shopify-Store plastikfreies Wasch- und Spülmittel. Bekannt wurde das Unternehmen durch ihr Nachfüll-Prinzip. Statt immer neue Plastikflaschen mit Spülmittel zu verkaufen, entwickelte die Firma einen neuen Ansatz, mit dem sie eine umweltbewusste Zielgruppe anspricht: Die Kund:innen kaufen kleine Tüten mit Pulver, aus dem nach dem Mischen mit Wasser Spülmittel entsteht.
Everdrop hat es damit geschafft, durch die Ansprache eines Publikums, das auf Umweltschutz Wert legt, einen völlig neuen Markt – also einen Blue Ocean – zu erschließen.
Bedeutung für E-Commerce
Gerade im E-Commerce ist die Unterscheidung zwischen Blue Ocean und Red Ocean besonders wichtig. Viele Händler:innen befinden sich in Märkten, in denen der Preis oft das wichtigste Differenzierungsmerkmal ist. Das führt zu Margendruck und Abhängigkeit von Rabatten. Du solltest daher prüfen, ob du dich in einem klassischen Red Ocean bewegst und welche Möglichkeiten es gibt, dich davon zu lösen.
Neue Marktchancen ergeben sich häufig, wenn du es schaffst, bestehende Produkte mit neuen Services zu kombinieren, individuelle Erlebnisse zu schaffen oder völlig neue Zielgruppen zu erschließen. Ein Blue Ocean entsteht, wenn du nicht nur Produktmerkmale verbesserst, sondern das gesamte Kauferlebnis neu denkst.
Die Blue Ocean Strategy bietet dir zudem eine Möglichkeit, die eigenen Kostenstrukturen zu überdenken. Durch Eliminieren unnötiger Elemente und Fokussieren auf wertstiftende Faktoren lassen sich Angebote schaffen, die wirtschaftlich effizient sind und gleichzeitig einen hohen Mehrwert für deine Kund:innen bieten.
Vorteile und Risiken
Die Blue Ocean-Strategie bietet zahlreiche Vorteile. Du erhältst Zugang zu einem neuen Market Space, der große Wachstumschancen eröffnet. Da der Wettbewerb hier irrelevant ist, lässt sich deine eigene Position klar definieren, wodurch schlussendlich höhere Margen möglich werden.
Zudem bietet die Strategie die Chance, dein Unternehmen langfristig zu differenzieren. Produkte oder Dienstleistungen, die auf einzigartigen Nutzenfaktoren basieren, schaffen ein stabiles Fundament für nachhaltigen Erfolg.
Natürlich gibt es auch Risiken: Die Erschließung eines neuen Marktes kann Unsicherheit mit sich bringen, da nicht garantiert ist, dass die Nachfrage so entsteht, wie geplant. Außerdem besteht die Gefahr, dass aus deinem Blue Ocean mit der Zeit ein Red Ocean wird, wenn andere Unternehmen dein erfolgreiches Modell kopieren.
Doch trotz dieser Risiken bleibt die Blue Ocean Strategy einer der wirkungsvollsten Ansätze, um Wachstum abseits intensiven Wettbewerbs zu realisieren.
Umsetzung für dein Unternehmen – ein Leitfaden
Der Weg in den eigenen Blue Ocean beginnt mit einer gründlichen Analyse. Prüfe genau, wo du im aktuellen Markt stehst und welche Wettbewerbsfaktoren deine Branche prägen. Dazu gehört die Untersuchung von Preisstrukturen, Servicequalität, Produktmerkmalen und Kundenerwartungen.
Im nächsten Schritt geht es darum, Nichtkund:innen zu identifizieren. Viele potenzielle Kund:innen kaufen nicht, weil bestehende Angebote nicht ihren Erwartungen entsprechen oder sie nicht angesprochen werden. Genau hier können neue Marktchancen liegen.
Das Vier-Aktionen-Format hilft dir dabei, alte Gewohnheiten aufzubrechen und ein neues Nutzenversprechen zu gestalten. Du findest heraus, welche Faktoren du streichen oder reduzieren kannst und welche du erneuern solltest, um ein Angebot zu entwickeln, das sich klar vom Wettbewerb abhebt.
Anschließend geht es darum, dieses Angebot auszuformulieren und wirtschaftlich tragfähig zu machen. Dazu gehört die Prüfung von Kostenstrukturen, Herstellungsprozessen und Preisstrategien.
Die Umsetzung sollte dabei schrittweise erfolgen. Ein sogenanntes „Minimum Viable Blue Ocean“-Produkt, also ein erster, abgespeckter Prototyp der neuen Idee, ermöglicht es, das Konzept am Markt zu testen und anhand von Rückmeldungen und Feedback weiterzuentwickeln.
Auch nach erfolgreichem Start ist kontinuierliches Monitoring entscheidend. Märkte verändern sich, und neue Wettbewerber können auftauchen. Prüfe daher regelmäßig, ob dein Blue Ocean noch existiert oder angepasst werden muss.
In diesem Video (auf Englisch) erfährst du, wie aus deiner Idee ein fertiges Produkt entsteht:
Fazit
Die Unterscheidung zwischen Red Ocean und Blue Ocean zeigt zwei sehr unterschiedliche strategische Ansätze. Während Red Ocean-Strategien auf Wettbewerb und Optimierung bestehender Marktbedingungen setzen, eröffnet die Blue Ocean-Strategie die Möglichkeit, neue Märkte zu schaffen, in denen der Wettbewerb keine Rolle spielt.
Mit einer klaren Methode, Innovationsbereitschaft und strategischer Ausrichtung kannst du dein Unternehmen erfolgreich in einen Blue Ocean führen – mit weniger Konkurrenzdruck, höheren Margen und nachhaltigem Wachstum.





